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(05/06 2018)

Ist der Pfiff nach dem Hund ein hoheitlicher Akt?

Ist der Pfiff nach dem Hund ein hoheitlicher Akt?

Prof. Dr. Hartwig Frankenberg
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg

Wenn Herrchen oder Frauchen nach ihrem geliebten Vierbeiner pfeifen – sei es, weil Gefahr droht, oder der erzieherische Impetus unbedingt zur Geltung gebracht werden soll – so ist dies der hoheitliche Akt eines Befehls, den es je nach pädagogischem Geschick ohne Wenn und Aber zu erfüllen gilt. Wie dem energischen Pfiff nach dem Hund erging es einst (vor über 400 Jahren) der höfischen Musik, deren Aufforderungscharakter sich niemand entziehen konnte.

Diese kunstvollen Klänge hatten meist Signalcharakter wie heutzutage öffentliche Lautsprecherdurchsagen oder das Klingeln unserer Handys. So wurde Tafelmusik weniger als Hintergrundmusik bei Banketten gespielt, sondern ertönte als Zwischenmusik zur Abgrenzung und Unterscheidung der einzelnen Gänge und Ritualhandlungen. Musik zur reinen Unterhaltung spielte eher eine untergeordnete Rolle, gewann aber zunehmend an Bedeutung. Zum Glück war damals der Ehrgeiz der adligen Herrscher nach Repräsentanz, d.h. nach konkreter Sichtbarkeit Ihres Ranges, Rufes und Ruhmes so groß und stark, dass sich auch aus den voreinst rein handwerklich agierenden und wenig angesehenen Musikern ganz allmählich ein eigener bürgerlicher Leistungsstand entwickelte. Noch Mozart konnte sich aufs äußerste echauffieren, wenn er – obschon eingeladen – bei hoch herrschaftlichen Festessen oft am unteren Ende der Tafel sitzen musste!

Jan Wellem (1658–1716), Düsseldorfs überaus geliebter Übervater, der in unserer Landeshauptstadt seit 1690 bis zu seinem Tod glanzvoll als Kurfürst residierte, u.a. 1696 die Düsseldorfer Oper eröffnete, hatte die Zeichen seiner Zeit voll durchschaut und den Künsten einen hohen Stellenwert in seiner Staatsraison zuerkannt. Was seine Hofmusik betrifft, so war sie international ausgelegt und sehr bekannt: Georg Friedrich Händel besuchte auf der Hin- oder Rückreise nach London mehrmals den Düsseldorfer Hof und soll mit Jan Wellem in der früheren Altstadtkneipe „En de Canon“ nicht nur gezecht, sondern auch im Schloss mit ihm zusammen musiziert haben. Ebenso sind eine ganze Reihe weiterer international bekannter Musiker zu nennen wie Arcangelo Corelli oder Agostino Steffani, die damals erheblich dazu beitrugen, durch ihre Besuche, Konzerte und Kompositionen der Residenzstadt Düsseldorf einen bedeutenden Rang in der europäischen Musikkultur zu verschaffen.

Welche wichtige Bedeutung diese Hofmusik – auch unter den Vorgängern und Nachfolgern Jan Wellems – in Düsseldorf einst hatte, ist zum Glück nicht in Vergessenheit geraten. Dafür sorgte Theodor Kersken , ein musikbegeisterter Düsseldorfer. Er entdeckte vor einigen Jahrzehnten eine Schallplatten-Edition bei EMI-Electrola mit dem Titel „Musik in alten Städten und Residenzen“ – darunter auch die separate Einspielung: „Am Hofe Jan Wellems“.

Als Anregung aus diesem Fundstück entwickelte Kersken im Laufe vieler Jahre als engagierter Gründer und ambitionierter Vorsitzender des Vereins „Düsseldorfer Hofmusik e.V.“ ein interessantes und erfolgreiches Groß-Projekt, über das wir ihn am 27. März in der Interviewreihe „Musik im Gespräch!“ in der Düsseldorfer Musikbibliothek befragen durften. Besagtes Fundstück aus dem Label EMI-Electrola trägt übrigens das bekannte Logo „His Master‘s Voice“ mit dem berühmten Foxterrier vor dem Phonotrichter, welcher der Stimme seines Herrn (gewiss keinem hoheitsvollen Pfiff!) hingebungsvoll lauscht – wem wohl? Vielleicht Jan Wellem, der gerade ein Karnevalslied intoniert?

Herzliche Grüße –
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg

Editorial

Titelgrafik: Michel Schier, Düsseldorf

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