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Das Interview-Archiv

„Musik im Gespräch!“(05/06 2020)

Franz-Josef Birk, Konzertpianist: „Monet sehen ist für mich wie Debussy hören!“

Franz-Josef Birk, Konzertpianist: „Monet sehen ist für mich wie Debussy hören!“

Konzertpianist Franz-Josef Birk, Düsseldorf.
FOTO: ULRICH RYDZEWSKI

INTERVIEWGAST:

Der in Düsseldorf geborene Franz-Josef Birk begann 1957 mit dem Klavierspiel. Als Elfjähriger wurde er ins Robert Schumann-Konservatorium aufgenommen und von Prof. Bernhard Roderburg unterrichtet. Sein Konzertdebut gab er als Dreizehnjähriger. Es folgten erste Preise und Förderprämien bei „Jugend musiziert“ mit Werken von Beethoven, Mozart, Chopin und der Moderne. Seine Klavierstudien setzte er fort bis zum Abschluss in den Hochschulklassen an der Staatlichen Hochschule für Musik Köln bei den Professoren Hansotto Schmidt, Günter Ludwig und Alfons Kontarsky.

Franz-Josef Birk gab viele Konzerte in deutschen Städten sowie in Montreux (Schweiz), besonders in Form von Klavier-Zyklen mit Musik von Beethoven, Schumann und Chopin, stets in Gegenüberstellung – von ihm gerne „Konfrontation“ genannt – mit anderen Komponisten. Von 1999 bis 2009 führte er einen Chopin-Zyklus durch – parallel in Baden-Baden, Düsseldorf und Wien. Seit 1992 wurden von ihm mit insgesamt 7 CD-Produktionen verschiedene, besonders ausgesuchte Flügelfabrikate präsentiert. Seit 1985 veranstaltet er in Düsseldorf außerdem seine Konzertserie der „Aton-Konzerte“ mit Vorstellung besonders profilierter Künstler. Von 1973 bis 2014 leitete er eine eigene Klavierklasse an der Clara-Schumann- Musikschule Düsseldorf. Zwischen 1980 und 1985 arbeitete er überdies als Musikkritiker für die Westdeutsche Zeitung und für die Rheinische Post.

Als Kennzeichen seiner Klavierkunst können folgende Merkmale gelten: Große Repertoirevielfalt mit Musik von Rameau bis Minami, samt Schwerpunkt Chopin – sowie eine seltene Verbindung von Virtuosität, Anschlagskunst und Formvorstellung. www.aton-recordings.de

Seit 1983 ist der Konzertpianist Franz-Josef Birk mit der aus München stammenden Ärztin, Frau Dr. Annette Schmidt-Birk, verheiratet.


ANMERKUNG:

Anstelle der sonst üblichen musikalischen Umrahmungen während der öffentlichen Interviewabende in der Düsseldorfer Musikbibliothek sei diesmal auf die zahlreichen CD-Aufnahmen verwiesen, die Franz-Josef Birk – inkl. Hörproben – unter seinem Label www.aton-recordings.de (Tonmeister: Ulrich Rydzewski) veröffentlicht hat.


INTERVIEW:

Welche Rolle spielte die Musik in Ihrem Elternhaus und in Ihrer Kindheit?

Aufgewachsen bin ich in einer außerordentlichen Mischkultur aus Musik und Kunst: Während meine Mutter, Johanna Birk, sie war Schneiderin, eine schöne Gesangsstimme hatte und Mitglied im Städtischen Musikverein war, befasste sich mein Vater, Amandus Birk, er arbeitete für die Finanzbehörde, intensiv mit der Malerei und besuchte Kurse bei Prof. Klaus Köhler-Achenbach (Urenkel von Andreas Achenbach, Düsseldorfer Malerschule) an der Kunstakademie Düsseldorf. Seine Bilder hängen noch heute in zahlreichen Düsseldorfer Haushalten.

In der Kindheit (ca. 1954-1960) – noch ohne Klavier – erlebte ich viele Feste, z.B. Hochzeiten, bei denen ein Stehgeiger und ein Klavierspieler zum Tanz aufspielten. Es waren jene Sorte Musiker, die heute eher ausgestorben sind. Sie spielten so ziemlich alles, was Melodie und Rhythmus hatte und die Menschen in eine gute Stimmung versetzte – immer gekonnt und mit Herz dargeboten.

Ich liebte diese Atmosphäre des reinen Musizierens, um Menschen glücklich zu machen. Diese Erlebnisse sind mir geblieben und haben mich in meiner späteren Laufbahn als Pianist dazu gebracht, nur solche Musik zu präsentieren, die ich unmittelbar mag – frei nach Friedrich Guldas Devise: „Eine Gebrauchsanweisung für ein Musikstück ist nicht nur verdächtig, sondern meist tödlich!“ Diese Faszination der musikalischen Unmittelbarkeit begann schon sehr früh bei mir und gab mir später die Fähigkeit, Herbert von Karajan genauso fasziniert zuzuhören wie Amy Winehouse.

Wann setzte bei Ihnen das Interesse für die klassische Musik ein?

Den Begriff „klassisch“ finde ich stets problematisch. Mit sieben Jahren hörte ich in der Düsseldorfer Rheinhalle das 3. Klavierkonzert in c-moll op. 37 von Beethoven, gespielt von dem legendären Pianisten Wilhelm Backhaus. Seitdem ließen Musik und Spiel in mir die Sehnsucht entstehen, mit dem Erlernen des Klavierspiels zu beginnen. Nach einer Zeit des Zauderns erhielt ich mein erstes Klavier der niederländischen Firma Rippen, dessen einfacher Klang mir im Alter von zehn Jahren zum Glück einen Ibach-Flügel bescherte.

Ein Jahr später – es war 1960 – wurde ich zur Ausbildung am Robert Schumann Konservatorium hier in Düsseldorf bei Prof. Bernhard Roderburg angenommen. Zur Aufnahmeprüfung spielte ich so gegensätzliche Musik wie die Inventionen von Bach, eine Beethoven-Sonate und die Préludes von Rachmaninow – alles nach dem Prinzip, was Spaß macht.

Franz-Josef Birk mit achtzehn Jahren als engagierter und erfolgreicher Student. Später wird er einmal sagen: „Wenn der Flügel gut ist, kann man die Stunden, die man in Schule oder Studium manchmal herumgesessen hat, wieder positiv ins Leben zurückrufen!“
FOTO: UNBEKANNTER FOTOGRAF

Wie begannen Sie Ihr frühes Musikstudium?

Nun, es ging direkt zur Sache: Neben Klavier gab es Harmonielehre und Gehörbildung bei Dr. Reinhard Meinardus. Mein Debut als Pianist fand 1962 mit Musik von Bela Bartok statt. Hans-Jochem Münstermann, späterer Direktor der Musikhochschule Aachen, würdigte mich damals in der Rheinischen Post als „pianistisches Ausnahmetalent mit dem siebten Sinn für agogische Nuancen – einer Disziplin, die kaum zu erlernen ist.“ Trotz meiner grundsätzlichen Zweifel an dem Genre Musikkritik traf er einen Kern meiner Klavierkunst, die mich sehr schnell empfänglich machte für die Musik Chopins, die ja ohne agogische Kunst zum Gefrorenen erstarrt!

Konnten Sie auch schon bald an Wettbewerben teilnehmen?

Ja, ich gewann Preise bei Wettbewerben wie „Jugend musiziert“ in Düsseldorf und Essen sowie Förderungsprämien in Marl und München – immer verbunden mit regelmäßigen Konzertauftritten. In dieser Zeit fand ich neben der Musik von Bach, Beethoven und Chopin entscheidenden Zugang zu dem für mich fundamentalen Komponisten der Musikgeschichte: Wolfgang Amadeus Mozart – und mit ihm die berühmte Klaviersonate A-Dur KV 331. So konnte ich bereits mit 15 Jahren dieses Werk in einem öffentlichen Konzert in der Solinger Stadthalle spielen – mit der bemerkenswerten Aussage des Kritikers: „Der noch junge Schüler spielte Mozarts Sonate mit einer solchen Innigkeit des Gefühls, dass man den Eindruck gewann, Mozart als einen Gegenwärtigen zu begrüßen!“

Diese frühe „Prognose“ fand ihre folgenreiche Verwirklichung Jahrzehnte später mit einem Mozartabend aus Anlass der 250-Jahrfeiern des Komponisten in Wien. Als sich nach der Darbietung eben dieser Sonate das so verwöhnte Wiener Publikum zum Applaus von den Sitzen erhob, wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg war.

Gab es damals – Sie waren ja noch Schüler – auch Anreize, mit anderen Tasteninstrumenten die musikalische Verbindung aufzunehmen?

Etwa drei Jahre lang – zwischen meinem 14. und 17. Lebensjahr – erlernte ich das Orgelspiel bei dem Kantor Heinz Odenthal an der Basilika St. Margareta in Gerresheim. Als krönenden Abschluss dieser Zeit übernahm ich bei dem bewegenden Erlebnis der Christmette den Orgelpart in Haydns Nelson-Messe für Orchester, Chor und Solisten.

Dabei wurde mir aber auch klar, dass die Orgel nicht mit dem Flügel zusammengeht. Die Spielarten sind radikal verschieden: Die Orgel ist und bleibt ein mechanisches Instrument, während der heutige Flügel ein Instrument ist, bei dem Anschlag und Technik alles bedeuten. Ich folgte Empfehlungen – z.B. von Prof Jürg Baur und Wilhelm Kempff – unbedingt das Abitur zu machen, mich auf das Klavier zu konzentrieren und meine pianistischen Studien in einer der Hochschulklassen in Köln fortzusetzen.

Sie nannten schon Wilhelm Backhaus – wie haben Sie die damals bekannten Solisten der Weltelite erlebt?

Mein verständnisvoller Lehrer Bernhard Roderburg riet mir, so viele bedeutende Musiker zu hören wie möglich. Live erlebte ich Monique Haas, Halina Czerny-Stefanska, Stefan Askenase, Tamás Vásáry, Maurizio Pollini, Géza Anda und Arthur Rubinstein. Gerne kann ich weitere Namen nennen wie Wilhelm Kempff, von dem ich im „alten“ Robert-Schumann-Saal viele seiner Klavierabende hörte und immer wieder beeindruckt war angesichts der vergeistigten Darbietung großer Musik unter seinen Händen.

Beim gemeinsamen Anhören einer Live-Aufnahme von Franz Schuberts Klaviersonate A-Dur op. posth. im alten Robert-Schumann-Saal (Düsseldorf) äußerte die amerikanische Cellistin Nancy Green den Wunsch nach einer Ko-Produk­tion mit Franz-Josef Birk. Aus dem Impuls ergaben sich zwei gemeinsame Aufnahmen für das Aton-Label (Nr. A01) im Robert-Schumann-Saal (1992) und der Festhalle Viersen (1993). Tonmeister war Ulrich Rydzewski. Es erklingen Werke von Chopin, Bruch, Beethoven, de Falla, Moscheles. Flügel: Steinway & Sons, Modell D.
FOTO: HANYA CHLALA, LONDON

Zu meinen musikalischen Begegnungen gehörten auch Konzerte mit Adam Harasiewicz, dessen Etüde op. 10,1 von Chopin ich in ihrer Verbindung von Poesie und tonlicher Schönheit nie wieder so genial gespielt gehört habe wie von ihm. Oder Rudolf Serkin in seiner fulminanten Darstellung später Sonaten von Beethoven, sowie großartige Konzerte mit Alfred Brendel oder restlos überzeugende Abende mit Claudio Arrau, dem vielleicht am umfassendst gebildeten Menschen, den ich je hören durfte. Als irritierend erlebte ich einmal ein Konzert mit György Cziffra, der über manuelle Fähigkeiten verfügte, die an Franz Liszt erinnerten – jedoch an Beethovens Klaviersonate Nr. 8, c-moll op. 13 „Pathétique“ gewaltig zerbrach.

Krönender Abschluss dieser Serie waren mehrere Konzerte mit Arturo Benedetti Michelangeli. Mit ihm erreichte man eisige Gipfel- und Gratwanderungen von einzigartigen auditiven Hörblicken. Aber auch Geiger wie Yehudi Menuhin, Leonid Kogan, David Oistrach und Nathan Milstein oder der Cellist Mstislaw Rostropowitsch gehörten zum Hörfutter. Noch heute höre ich gerne diese Musiker. Sie vermitteln mir als Pianisten die Sphäre einer Tonqualität, die auf einem Flügel zunächst nicht zu erreichen ist.

Sie erwähnten Komponisten wie Bach, Beethoven, Bartok und Mozart. Wie kam es zu Ihrer großen Zuwendung zu Claude Debussy?

Eines Tages – ich war etwa 15 Jahre alt – legte mir Prof. Roderburg eine Partitur mit dem Stück „Jardins sous la pluie“ von Claude Debussy auf den Flügel. Allein die Notation in der schönen Ausgabe des Pariser Verlages Durand sah aus wie ein futuristisches Gemälde! Ich vertiefte mich in diese seltsame Schrift – und was dabei herauskam, war Liebe für die Ewigkeit: ein Ausbund an Klang, Fantasie und Form! So fand ich eher spontan und ohne intellektuelle Belesenheit einen wahren Zugang zum Erneuerer der Musik schlechthin: Claude Debussy! Er bedeutet für mich nach wie vor das Abwerfen dümmlicher Schulregeln aller Art, dafür jedoch den Gewinn von Freiheit, Poesie und Genuss der Natur sowie eine Brücke zur mediterranen Welt, die nach dem Abitur 1968 für mich so wichtig wurde.

Nach Darbietung u.a. von Albéniz „Almeria“ im Bösendorfer-Saal (Wien) stellte eine Konzert­besucherin die Frage an den Pianisten Franz-Josef Birk, bei wem er gelernt habe, die spanischen Meister so kongenial zu spielen. Seine Antwort: „Nach fast zwanzigjährigen, wiederholten Besuchen des Landes und einer elementaren Liebe zur Musik der iberischen Halbinsel.“ Zu hören sind auf der Aton-CD A02 Werke von Chopin, Albéniz, Granados. Aufnahmeorte: Robert-Schumann-Saal, Düsseldorf (1994), Festhalle Viersen (1994/95), Flügel: Steinway & Sons, Modell D.
FOTO: HANYA CHLALA, LONDON

Nach dem Abitur studierten Sie an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln. Welche Lehrer waren Ihnen wichtig – und warum?

Damals war die Hochschule ja noch im alten WDR-Funkhaus untergebracht. Ich studierte Klavier bei den Professoren Günther Ludwig, Hansotto Schmidt und Alfons Kontarsky. Günther Ludwig erwies sich dabei als der solideste Lehrer. Seine Persönlichkeit, hart und konsequent, ließ einen als Student wachsen. Ich bin ihm Zeit meines Lebens für wichtige Erkenntnisse auf dem Weg zum Leben als Pianisten dankbar. Er verkörperte das, was Heinrich Neuhaus am Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau war: ein zentraler Pianist und Pädagoge.

Damals studierte man den üblichen Querschnitt von Musik: wenig Barockmusik, lediglich mal Bach, dann Beethoven und vor allem die Romantiker – die Moderne mehr als Anhang. Dann die französischen Neuerer und vielleicht noch ein paar Neutöner. Das alles war mehr Pflichtprogramm als persönliche Neigung. Großartige spanische Musik, die ich später viel spielte, erschien nirgendwo. Bestandteile des Studiums waren natürlich auch Harmonielehre, Gehörbildung, Formenlehre, Musikgeschichte – Liedbegleitung und Kammermusik ergänzten das Fach Klavier.

An der Musikhochschule begegnete ich auch Prof. Dr. Julius Alf, einem phänomenalen Mann. Nie wieder bin ich einem Menschen – vielleicht mit Ausnahme von Claudio Arrau – von solch umfassender Bildung begegnet. Bei ihm belegte ich die Fächer Musikgeschichte sowie Formenlehre und beendete mein pianistisches Studium – neben den praktischen Programmen – mit einer schriftlichen Analyse von Beethovens Klaviersonate Nr. 29, B-Dur, op. 106 „Hammerklaviersonate“. Professor Alf war zugleich Gründer und Leiter der späteren Clara-Schumann-Musikschule Düsseldorf, an der ich nach der Zeit in Köln die Leitung einer Ausbildungsklasse für Klavier bis 2014 übernahm.

Hier spielt sich Franz-Josef Birk im Stadtsalon der Wiener Klavierfabrik Bösendorfer ein. Das Probespiel führte 1995 in der Festhalle Viersen auf dem Flügel Bösendorfer Imperial mit Werken von Chopin, Schubert, Debussy, Mozart und J. Strauß zur Aufnahme der Aton-CD A03.
PHOTOZENTRUM RHEINBERGER, WIEN

Gab es auch Studieninhalte, die über das reine Klavierspiel hinausgingen?

Gleich zu Beginn des Studiums mussten alle Instrumental-Studenten in den Hochschulchor eintreten, der vom Dirigenten des WDR-Rundfunkchors, Herbert Schernus, geleitet wurde. Dies bedeutete eine wunderbare Schulung, gerade auch für Pianisten. Auf dem Programm stand gleich zu Beginn das Deutsche Requiem von Brahms in Form von öffentlichen, wöchentlichen Pflichtproben, wo jeder zuhören konnte. Meine über das Solospiel hinausgehenden Interessen gehörten allerdings der Kammermusik sowie der Liedbegleitung, die ich in den Klassen von Prof. Klaus Storck (Cello) und Prof. Wilhelm Hecker (Liedbegleitung) absolvierte.

Außerdem durchlief ich – mehr aus persönlichen Interessen – eine Art begleitende Ausbildung journalistischer Größen wie Dr. Heinrich von Lüttwitz, Chefkritiker der Westdeutschen Zeitung. So erhielten wir Anregungen zum Schreiben von Musikkritiken – einer Tätigkeit, die den Reiz interessierter Skepsis als Grundlage hatte. Ein reichhaltiges Konzertprogramm samt Vorträgen rundeten das Angebot dieser so bedeutenden Musikhochschule ab. Interessant und wichtig waren auch persönliche Begegnungen in der Mensa mit damaligen Größen. So unterhielt ich mich beim Morgenkaffee ausgesprochen spannend mit dem Komponisten Bernd Alois Zimmermann über Chopins erste Ballade. Jan Stanislaw Ekier, polnischer Pianist, Komponist und Musikpädagoge, der die großartige Chopin-Edition herausgegeben hatte, saß ebenfalls gerne mit in der Runde.

Und wie gestaltete sich Ihr pianistisches Leben nach Abschluss der Hochschulzeit?

Nach Beendigung meiner Studien übernahm ich – wie gesagt – an der Clara-Schumann-Musikschule in Düsseldorf die Leitung einer Ausbildungsklasse für Klavier. Daraus gingen neben Preisträgern bedeutende Berufe hervor wie Komponisten, Tonmeister und Fachleute für Musikästhetik. In wunderbarer Zusammenarbeit mit jenem Prof. Dr. Alf, der einen Stil und eine Atmosphäre schuf, die ihresgleichen suchte, entwickelte sich hier von meiner Lehrtätigkeit aus auch die Basis für einen umfassenden Schumann-Zyklus, an dem ich mit vier Solo-Klavierabenden im Palais Wittgenstein teilnahm.

Zum ersten Mal konnte ich nun den Gedanken zyklischer Musikdarbietungen in der Form präsentieren, dass zentrale Werke Schumanns mit Werken anderer Komponisten gegenübergestellt wurden. Das erzeugt bei mir positive Spannungen, die ich bei reinen Einzeldarstellungen nur eines Komponisten im Konzert vermisse. Dieses Prinzip eines Mischprogramms blieb seitdem immer wichtig für mich. So spielte ich Musik von Schumann, Bach, Chopin, Ravel usw. – immer davon ausgehend, dass mir außerdem nur Musik unter die Hände kommen darf, die ich wirklich mag.

In einer riesigen Halle der Hamburger Firma Yamaha hatte man den Flügel CF III S als einziges Instrument bereitgestellt. Die freund­lichen Japaner begrüßten den Pianisten: „Der ausgesuchte Flügel wird Ihre volle Zufriedenheit finden.“ Franz-Josef Birk spielte die Ballade Nr. 3 in As-Dur op. 47. von Fréderic Chopin und war sehr erstaunt über die punktgenaue Einschätzung seiner Gastgeber. Mit Werken von Scarlatti, Beethoven, Chopin und Glinka fand die Aufnahme (Aton-CD A04) 1997 in der Festhalle Viersen statt.
FOTO: ULRICH RYDZEWSKI

Ein weiteres Beispiel meiner Eigenständigkeit war die Gestaltung einer Klavier-Matinée, die ich noch während meiner Kölner Studienzeit in Düsseldorf für Heinersdorff in der Aula der Düsseldorfer Kunstakademie geben konnte. Diese Konzerte z.B. mit Schumanns Kreisleriana, Beethovens Sonate „Pastorale“ Nr. 15 in D-Dur op. 28 sowie Chopins Ballade Nr. 1 in g-moll, op 23 waren sehr erfolgreich – die Aula zum Bersten voll, mit Zugaben z.B. von Bartok!

Nach dieser solistischen Laufbahn als erfolgreicher Pianist bedienten Sie eine Zeit lang die Öffentlichkeit mit Musikkritiken?

Das war eine logische Folge meiner Kölner Studienzeit, wo die Musikkritik mit integriert war – für mich allerdings eine Erfahrung auf der Basis einer interessierten Skepsis. Ich begann mit der Rezension eines Violinabends mit Pinchas Zukermann und Marc Neikrug am Klavier. Das Ergebnis meiner Arbeit war so positiv, dass die Westdeutsche Zeitung WZ unter Chefkritiker Emil Fischer mich zwischen 1980 und 1985 auf Dauer beschlagnahmte. Danach schrieb ich über alle Genres im Musikbetrieb. Offensichtlich beflügelte die Qualität meiner Artikel ebenfalls Alfons Neukirchen, Chefkritiker der Rheinischen Post RP, auch für diese Zeitung zu schreiben. So war ich – neben meiner Lehrtätigkeit – bei zwei regionalen Blättern engagiert. Nach fünf Jahren hatte ich aber genug erlebt und kehrte 1985 wieder in den Konzertbetrieb zurück.

Wie sind Sie zur ausführenden Musik wieder zurückgekommen?

Um meinen Ideen ein formales Gerüst zu geben, gründete ich als Konsequenz unter meinem Namen und meiner Regie eine Konzertdirektion mit Namen „Aton-Konzerte“ hier in Düsseldorf. Diese Konzerte fanden übrigens fast alle im Palais Wittgenstein, im Robert-Schumann-Saal, im Helmut-Hentrich-Saal (Kleine Tonhalle), im EKO-Haus, in der Aula des Gymnasiums Gerresheim sowie in dem Gemeindesaal der Gustav Adolfkirche (Gerresheim) statt.

Es begann mit mir als Pianisten mit einem großen Beethoven-Zyklus (10 Klavierabende), der einen Querschnitt durch das Soloklavierwerk des Bonner Meisters darstellte. Dazu gab es einen Zyklus Beethovens sämtlicher Sonaten für Violine und Klavier, dargeboten durch das japanische Duo Erika Ozeki (Violine) und Yuko Hashishiba (Klavier). Dazu gesellten sich noch andere Duos und Trios sowie weitere Formationen. Zeitweilig gab es bis zu neun Konzerte pro Saison! Grundsätzlich wurden dabei Beethovens Werke immer mit Arbeiten anderer Komponisten „konfrontiert“ – wie ich gerne sage.

Ortstermin bei der Klavierfabrik Blüthner in Leipzig im Oktober 2001: „Hier sitze ich auf dem Klang“, sagt Franz-Josef Birk, als er sich auf einem Stapel roh gehobelter Bretter niederlässt, aus denen später wohlklingende und hochglanzpolierte Flügel hergestellt werden.
FOTO: ULRICH RYDZEWSKI
Da die Fabrikationsräume des Unternehmens über eine hervorragende Akustik verfügen, fanden die Aufnahmen für die Aton-CD A06 während der Nächte statt. Birk spielte dabei auf einem Blüthner 280 verschiedene Werke von Haydn, Chopin, und Donostia.
FOTO: ULRICH RYDZEWSKI

Hatten Sie Gelegenheit, bei den Konzerten auch Werke anderer Komponisten aufzuführen?

Es gab damals auch Zyklen mit Werken von Mendelssohn, Brahms und Bach – alles mit solch wunderbaren Künstlern wie Nancy Green (Cello) und Hannelot Weigelt (Klavier) sowie Johanna Messner (Cello) und Sabine Roderburg (Klavier). Veranstaltet wurden ebenso ganz neue Konzertformate wie „Young People Humor Concert“ mit dem Düsseldorfer Satiriker Jan Cornelius und Thomas Schuld (Klavier). Darunter waren ebenso ein Mundharmonika-Konzert und ein Akkordeon-Solo mit Maestro Edwin Alexander Buchholz, aber auch sämtliche Flötenquartette von Mozart mit Ikutaro Igarashi & Ensemble, Konzerte mit dem Klavierduo Christine Grecu & Roberto Fabris sowie Cembalokonzerte mit Miyuki Takahashi und Klaus-Aymar de la Beaujardière. Noch heute gibt es mit ihm und dem Duo Grecu & Fabris die Aton-Konzerte in der Berger Kirche (Düsseldorf Altstadt).

Das Cover (Aton-CD A08) des Fotografen Ulrich Rydzewski zitiert mit den Pedalen des Steinway-Flügels eine Aussage des legendären Pianisten und Komponisten Ferrucio Busoni: „Die Pedale sind die Seele des Klaviers!“ Zu hören sind Werke von Chopin, Schumann, Albéniz. Am Klavier: Franz-Josef Birk. Aufnahmeort: Festhalle Viersen 1995, 1996, 1999. Flügel: Steinway & Sons, Modell D.
FOTO: ULRICH RYDZEWSKI

In den 1990er Jahren und danach waren Sie gleichzeitig auf mehreren Arbeitsfeldern aktiv: Aton-Konzerte mit CD-Produktionen auf Flügeln verschiedener Hersteller sowie Marathon-Konzertzyklen an drei Orten zur selben Zeit. Wie kann man sich das vorstellen?

In Zusammenarbeit mit der Leitung des früheren, legendären Schlosshotels Bühlerhöhe im Schwarzwald (seit 2015 geschlossen) eröffnete ich 1995 die „Fete Chopin“ – ein Klavier-Zyklus von dreizehnjähriger Laufzeit, in dem große Teile des Klavierwerkes von Frédéric Chopin in Begleitung seiner Briefe sowie Korrespondenzen anderer Komponisten in einen thematischen Zusammenhang gestellt wurden. Jedes der insgesamt bis 2009 laufenden Schloss-Konzerte wurde mit einem zum Thema sich ergänzenden Konzert-Menü beendet. Meine überaus erfolgreiche Konzeption entwickelte sich schnell zu einem gefragten Musik- und Gesellschaftsereignis im badischen Raum und darüber hinaus.

Es war auch die Zeit, in der für mich die Nutzung von sehr hochwertigen Flügeln verschiedener Hersteller-Marken verlockend war. Während der Chopin-Zyklus auf der Bühlerhöhe noch ausschließlich auf Flügeln von Steinway & Sons gespielt wurde, richtete ich zeitgleich diesen Zyklus (ohne gastronomischen Anteil) auch in verschiedenen Düsseldorfer Konzertsälen ein sowie im Bösendorfer Saal in Wien. Flügel folgender Hersteller-Marken erschienen mir hierfür sinnvoll zu sein: Steinway & Sons, Bösendorfer, Blüthner, Schimmel, Yamaha, Seiler.

Und das CD-Label „Aton-Konzerte“?

In dieser Zeit, es war 1992, begann ich – in Kooperation mit dem Düsseldorfer Filmemacher und Tonmeister Ulrich Rydzewski – mit der Produktion von CDs (www.aton-recordings.de auf den Flügeln der soeben genannten Hersteller. Neben den von mir persönlich ausgesuchten Flügeln sind auf diesen Aufnahmen auch erlesene Klangsäle wie der „alte“ Robert-Schumann-Saal zu hören. Ebenso fanden Aufnahmen statt in der Festhalle Viersen, deren Klangqualität schon der Dirigent Wilhelm Furtwängler lobte. Zu nennen sind auch die ausgezeichneten Klangqualitäten der Produktionshallen der Blüthner-Werke Leipzig sowie die zum Konzertgebrauch hergerichtete Immanuelskirche in Wuppertal-Oberbarmen. Alle Aton-CDs wurden übrigens von der Fachwelt als audiophil eingestuft.

Das Wort „Aton“ hat nichts mit Ton oder Musik zu tun, sondern ist der Name des altägyptischen Sonnengottes. Aton ist eine Gottheit, die in ihrer Erscheinung als Sonnenscheibe verehrt wurde. Unter der Herrschaft des Königs Echnaton stieg Aton in seiner Funktion zum obersten göttlichen Wesen auf, das durch die Strahlen Licht und Wärme sowie durch die Bewegung Zeit und Leben erschafft. So bringt er die gesamte sichtbare und unsichtbare Wirklichkeit hervor! Logo-Design: Susanne Driesen, Düsseldorf

Nach der Zeit der Marathonzyklen wurden und werden immer wieder Klavierabende, vorwiegend in Düsseldorf, veranstaltet – wie etwa ein Abend mit Werken des französischen Komponisten Erik Satie 2016, Beiträge zur zeitgenössischen Musik zu Ehren des 90. Geburtstages von Jürg Baur oder die Erstaufführung der Klaviertranskription von „Tango I“ des in Düsseldorf lebenden japanischen Komponisten Yojiro Minami. Das Werk war bereits in der Tonhalle als Orchesterfassung aufgeführt worden.

Und welchen Flügel haben Sie bei sich zu Hause stehen?

Seit 1964 spiele ich auf einem Steinway & Sons, Modell B. Er wurde übrigens nicht nur von dem russischen Pianisten Shura Cherkassky persönlich ausgesucht, sondern am selben Tag von der Firma Heinersdorff angeliefert, als die Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan in der Düsseldorfer Rheinhalle ein reines Beethoven-Konzert gaben. Heinersdorff hatte mir dafür eine Eintrittskarte geschenkt. So wurde aus diesem Tag ein Festtag. Es war vielleicht der schönste Tag meiner Jugend!

Dieses Instrument hat mich mein Leben lang begleitet, was ich niemals bereut habe. Dank guter Wartung – früher durch die Techniker Michima und Morikawa – heute durch den Klavierbauer Detlef Großauer (Dormagen), einem Könner des Flügel-Tunings, kann ich mich jeden Tag an diesem Instrument erfreuen!

Welche Projekte bearbeiten Sie im Moment?

Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie (Stand: April 2020) sind jetzt erst einmal alle Konzert-Pläne auf Eis gelegt. Aber ich bin weiterhin in der Aufnahmelandschaft aktiv: So bereite ich mich z.Z. vor auf Ton- und Filmaufnahmen mit Flügeln von Shigeru-KAWAI – alles für die Zeit nach der Krise. Der Privatunterricht in sehr reduziertem Umfang gehört ebenfalls zu meinen Leidenschaften – denn es war immer mein Grundsatz: Kreative Erkenntnisse mit förderlichen Quantensprüngen gehören unter die Menschheit und sollten nicht im Verlies verschimmeln! Ich habe Kostbares erarbeitet und auch geschenkt bekommen – das gilt es weiterzugeben in Form von Konzerten, Aufnahmen, Unterricht und Gesprächen!


Auf der Homepage www.aton-recordings.de sind alle bisher erschienenen Aton-CDs mit Hörproben und Bestell-Möglichkeiten zu finden – jeweils mit Nennung der Aufnahmeorte sowie der Flügelhersteller. Kontakt: 0211 / 43 70 108. Mobil: 0162 / 76 47 615.


Das Gespräch führte
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg

Fotos: Ulrich Rydzewski, Düsseldorf und Hanya Chlala, London

Franz-Josef Birk: „Der Flügel K 280 T der Braunschweiger Firma Schimmel, seit langer Zeit im Dauereinsatz von Udo Jürgens, erfährt hier – vielleicht zum ersten Mal – klassische Klavierkunst vom Feinsten!“ Es erklingen Werke von Piazolla, Debussy, Chopin, Beethoven, Galuppi, Bach. Aufnahmeort: Immanuelskirche Wuppertal-Oberbarmen (Mai 2015).
FOTO: ULRICH RYDZEWSKI

INTERVIEWREIHE „MUSIK IM GESPRÄCH“: WEITERE TERMINE 2020

Öffentliche Interviews ab 01.09.2020:

Zeit: 20:00 Uhr

Ort: Zentralbibliothek / Musikbibliothek / Lesefenster

Bertha-von-Suttner-Platz 1
40227 Düsseldorf


(kein öffentliches Interview)
Ausgabe 07+08-20:
Martin Wistinghausen,
Sänger und Komponist

(kein öffentliches Interview)
Ausgabe 09+10-20:
Markus Goosmann,
Pianist, Lehrer, Forscher, Heimatfreund
Ausgabe 11+12-20:
(Interview: 29.09.20)
Catriona Böhme, Viola Campanula
Anna Seropian, Klavier
Ausgabe 01+02-21:
(Interview: 24.11.20)
Dr. Doris Bischler,
Direktorin der Clara-Schumann-Musikschule Düsseldorf

ANMERKUNG:

Unabhängig von der Entwicklung der Corona-Pandemie werden die geplanten und vereinbarten Interviews der Reihe „Musik im Gespräch!“ fortgesetzt und zumindest in den zweimonatlich erscheinenden Online-Ausgaben des „Konzertkalenders in+um Düsseldorf“ unter www.konzerte-in-duesseldorf.de auch weiterhin publiziert!

Voraussichtlich bis einschließlich 31.08.2020 finden in der Musikbibliothek keine öffentlichen Interviews der Reihe „Musik im Gespräch!“ statt!