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„Musik im Gespräch!“(07/08 2014)

Klaus-Peter Riemer: „Man spürt im Raum die reiche Musiktradition!“

Klaus-Peter Riemer: „Man spürt im Raum die reiche Musiktradition!“

Foto: Olaf Triltsch

Der Düsseldorfer Konzertflötist Klaus-Peter Riemer im Gespräch mit unserer Redaktion.


Klaus-Peter Riemer, Jahrgang 1944, stammt aus der traditionsreichen Musikerstadt Halle a. d. Saale und wuchs in Düsseldorf-Gerresheim auf. Nach frühen Erfahrungen als Flötist bei den Düsseldorfer Symphonikern und abgeschlossenem Musikstudium am ehemaligen Robert Schumann Konservatorium entwickelte er seine Karriere als kammermusikalischer Flötist mit überaus reicher, internationaler Konzerterfahrung. Sein Wissen und Können vermittelte er außerdem im Rahmen einer siebzehnjährigen Dozentur an der Staatlichen Hochschule für Musik Rheinland, Abteilung Wuppertal. Auch den Tonschöpfern fühlt er sich verbunden: So bezeichnet er - neben Mozart und Schubert - Johann Sebastian Bach als seinen "Lieblingskomponisten". Für Zeitgenossen wie Jürg Baur, Ulrich Leyendecker, Torsten Laux und Yojiro Minami brachte und bringt er Werke zur Uraufführung, während diese ihm mit eigens gewidmeten Kompositionen danken. Musik wird für ihn aber erst dann vollkommen, wenn er mit seiner Querflöte unsere Ohren auch mit Swing, Latin oder Blues erfreuen darf! Seine wichtigste CD trägt den Titel "Bezaubernde Konzertflöte".


Können Sie sich an Ihre früheste Begegnung mit der Musik erinnern?

Ich komme aus einer Familie, in der viel gesungen und auf Geige, Klavier, Mandoline und Gitarre musiziert wurde. Ab dem sechsten Lebensjahr war die Blockflöte mein bevorzugtes Instrument. Auch in der Gerresheimer Gustav Adolf Gemeinde haben wir uns musikalisch engagiert.

Wer oder was hat bei Ihnen die Faszination für das Spiel der Querflöte ausgelöst?

Mit vierzehn hörte ich die Flötistin Rosemarie Popp bei einem Konzert in der Gerresheimer Kirche. Das war meine Initiation! Ich war von ihrem Spiel und von dem Instrument so sehr begeistert, dass ich beschloss, Flötist zu werden und bald darauf mit dem Privatunterricht begann.

Welche Bedeutung hat Ihr Musikstudium für Sie gehabt?

Im Laufe meines Musikstudiums am Robert Schumann Konservatorium in Düsseldorf wurde ich von Prof. Richard Vogel und Prof. Hans-Jürgen Möhring unterrichtet. Währenddessen hatte ich 1966 das Glück, für sieben Monate einen Flötisten bei den Düsseldorfer Symphonikern zu vertreten. Es war die äußerst intensive Zeit unter dem Generalintendanten Grischa Barfuss mit vielen Aufführungen in Oper, Ballett, Operette und zahlreichen Symphoniekonzerten. Er war ja für Oper und Schauspiel zuständig. Studium und Orchesterarbeit waren so für mich ein äußerst lehrreicher biografischer Abschnitt.

Sie berichten von einer speziellen Spieltechnik für die Querflöte, die Sie erlernt haben. Können Sie etwas dazu sagen?

Bei der Spieltechnik für Querflöte unterscheidet man die "deutsche" Methode nach Johann Joachim Quantz (1697-1773), dem einstigen Flötenlehrer Friedrichs des Großen, von der "französischen" Spielweise, die im 20. Jahrhundert von dem Flötisten Marcel Moyse entwickelt wurde. Vereinfacht gesagt, bezieht sich seine Technik auf drei Aspekte: veränderbares Vibrato, Intonation mittels Unterkiefertechnik und aktive Gestaltung der Klangfarbe. Hat man diese "Schule" absolviert, so lässt sich mit der Querflöte ein sehr plastischer und lebendiger Klang erzeugen, der auch Assoziationen zu außermusikalischen Erscheinungen weckt. Moyse sagte beispielsweise: "Sie müssen mit der Flöte eine Geschichte erzählen!"

Die Querflöte, die Klaus-Peter Riemer in seinen Konzerten spielt, ist eine voll versilberte Flöte von Philipp Hammig (Markneukirchen), Baujahr 1963. Zusätzlich hatte er sich damals einen Flötenkopf von Johannes Hammig (Freiburg, später Lahr) besorgt. Somit spielt er eine Flöte mit "brüderlichen" Bestandteilen. Diese Flöte klingt besonders weich und strahlend, klanghell. Ein Eindruck, der sich auch beim Fototermin im Düsseldorfer Goethemuseum (Schloss Jägerhof) sofort verbreitete.Foto: Olaf Triltsch

Hat diese Spieltechnik auch Auswirkungen auf Ihre umfangreiche Konzerttätigkeit gehabt?

Ja, indirekt schon. Paris gilt als Mekka der Querflöte. Also fahre ich - mindestens alle drei Jahre, wenn nicht öfter - zu Konzerten in die französische Hauptstadt und genieße die Auftritte etwa im Salle Pleyel, dem einzigen großen symphonischen Konzertsaal in Paris, oder in der wunderschönen Église des Billettes. Dazu gehören auch die Kontakte mit den Kollegen dort. Diese Begegnungen sind nicht nur freundschaftlich und festlich geprägt, sondern dienen mir auch gleichzeitig als Kontrolle meines Flötenspiels, so als würde ich einen kompetenten und geschätzten Korrepetitor besuchen.

An welche Konzertauftritte erinnern sie sich besonders gern?

Gerne denke ich an sehr viele Konzerte zurück: Etwa an kammermusikalische Auftritte mit Cembalo und Cello-Begleitung im Schubert-Saal des Wiener Konzerthauses und im eben schon genannten Pariser Salle Pleyel Mitte der 70er Jahre, 1998 an ein Konzert für Flöte und Harfe mit Elena Manuela Cosentino im Verdi-Saal der Mailänder Scala und 1999 im Leipziger Bachmuseum, 2005 an ein Konzert mit Prof. Torsten Laux an der Orgel in der Pariser Église des Billettes, 2010 in der Dresdner Frauenkirche und im Französischen Dom zu Berlin, um nur einige wenige Glanzlichter meiner musikalischen Laufbahn zu nennen.

Was ist für Sie das Besondere an diesen künstlerischen Marksteinen?

Ein Konzert geben, heißt für mich nicht nur "Farbe bekennen!" Es ist immer wieder diese besondere festliche Atmosphäre eines gesellschaftlichen Ereignisses, wenn interessierte Menschen auch von weit her kommen und in die Säle strömen. Dann spüre ich im Raum gleichzeitig die reiche Musiktradition wie etwa in Leipzig, Mailand, Wien, Paris oder Berlin. Es ist dies eine beglückende Verschmelzung von Werk, Solist, Publikum und Musiktradition. Eine CD-Aufnahme kann davon nur ein ganz schwacher Abglanz sein.

Aber Sie haben dennoch auch CDs eingespielt?

Es sind etwa 25 CDs, die da im Laufe der Jahrzehnte mit Aufnahmen von mir zusammen gekommen sind. Meine wichtigste CD hat den Titel "Bezaubernde Konzertflöte".

Und welche Konzertprojekte kommen in der nächsten Zeit auf Sie zu?

Zunächst freue ich mich auf meine beiden Konzerte am 14. September aus Anlass des Lake Como Festivals zusammen mit der Harfenistin Floraleda Sacchi. Am 19. Oktober werde ich mit Torsten Laux im Altenberger Dom und am 1. November auf dem IDO-Festival in Düsseldorf spielen. Am 7. Dezember folgt dann noch ein Auftritt in Schloss Jägerhof / Goethe-Museum-Düsseldorf. Fest geplant und vereinbart sind außerdem Konzerte für die nächsten Jahre in Rom, Leipzig und Prag.

Im Vorgespräch erwähnten Sie die besondere Ausdrucksfähigkeit der Querflöte für spezifische musikalische "Situationen" - oder Stimmungen. Können Sie dazu noch etwas sagen?

Das ist ein spannendes und komplexes Thema zugleich. Es ist auffällig, dass in der musikalischen Figurenlehre gerade bei der Querflöte sequenzierende Tongruppen - also einer Gruppe von Tönen, die auf einer anderen Stufe wiederholt wird - von vielen Komponisten sicher bewusst verwendet werden, um so die Lebendigkeit einer (Natur-)Erscheinung z.B. von Wasser oder von Vogelstimmen mit einer gewissen Erhabenheit und Anmut zu verdeutlichen. Als Beispiele nenne ich nur den Beginn der bekannten "Moldau" von Friederich Smetana, das Meeresrauschen in "La Mer" von Claude Debussy oder das stille, spiegelnde Wasser in der Komposition "Haru no umi - Der See im Frühling" (1929) des japanischen Komponisten Miyagi Michio (1894-1956). Hinzu kommt in der Wirkung bei Miyagi Michio die Pentatonik unter Vermeidung der Halbtonschritte. Ähnliches können wir auch bei Debussy heraushören, wenn er zu den 28 abendländischen Tonskalen die Pentatonik ebenfalls verwendet.


Das Gespräch führte
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg