Konzertkalender in+um Düsseldorf

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Das Interview-Archiv

„Musik im Gespräch!“(09/10 2016)

Hartwig Frankenberg: „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke!“ (BWV 84)

Hartwig Frankenberg: „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke!“ (BWV 84)

Hartwig Frankenberg: „Im Rahmen meiner Recherchen verhalfen mir Interviews ursprünglich zur reinen Informa­tionsgewinnung. Im Laufe der Zeit entdeckte ich in ihnen – wie im platonischen Dialog – immer mehr ein willkommenes Instrument, das der fundamentalen Bewusstseinsbildung beider Gesprächspartner dient.“Fotos: Dr. Barbara Steingießer

Prof. Dr. phil. Hartwig Frankenberg lebt als freier Autor in Düsseldorf und setzt sich als Kultursemiotiker symboltheoretisch und gesellschaftskritisch mit der Zeichenhaftigkeit unserer Welt auseinander. Nach dem Studium von Sprach- und Literaturwissenschaft arbeitete er als Hochschuldozent (Münster, Bielefeld, Berlin) und Professor (Augsburg) sowie als Kommunikationsberater (Public Relations) für Industrie und Wirtschaft. In Essay, Interview und Vortrag, seinen bevorzugten Publikationsformen, behandelte und behandelt er Aspekte aus Textlinguistik, Sprechhandlungstheorie, Märchenforschung, Ritualwissenschaft und Designtheorie sowie kultursemiotische Themen über Kunst, Musik und Alltag. Fast hätte er Musik studiert, bewahrte jedoch seine heimliche Liebe zu ihr: Seit 2013 schreibt und redigiert er den „Konzertkalender in+um Düsseldorf“, dessen Herausgeber er 2015 wurde. Im Rahmen dieser Tätigkeit leitet er in Kooperation mit der Düsseldorfer Musikbibliothek die von ihm begründete öffentliche Interviewreihe „Musik im Gespräch!“. Außerdem genießt und praktiziert er den Sologesang (Bariton) sowie das Cello-Spiel. In einem privaten Forschungsprojekt untersucht er überdies die Zusammenhänge von Ritual, Musik, Oper und Raum.

www.konzerte-in-duesseldorf.de / www.hartwig-frankenberg.de

Die Cellistin Lea Maria Haas wurde 1993 in Hamburg geboren. Nach Cello-Unterricht schon in sehr jungen Jahren verfolgte sie ihre Instrumental-Ausbildung nach dem Abitur (inkl. Latinum und Graecum) über den Besuch einer Förderklasse (Jugendmusikschule Hamburg), einem Bachelor-Studium 2011-2016 (Robert Schumann Hochschule Düsseldorf bei Gregor Horsch) und einem Master-Studium (seit 2016 bei Pieter Wispelwey) bis zu verschiedenen Meisterkursen. Spezialisiert hat sie sich profilbildend auf die Epochen Klassik bis Neue Musik. Sowohl im Ensemble-Spiel mit Orchester- und Kammermusik als auch im Vortrag als Cello-Solistin sammelte sie wichtige Erfahrungen.

Die Pianistin Anne Sofie Sloth Nilausen wurde 1987 in Dänemark geboren. Von 2005 bis 2011 studierte sie an der Königlichen Hochschule für Musik in Kopenhagen. 2012 bis 2015 absolvierte sie ein Master-Studium an der Robert-Schumann Hochschule Düsseldorf in der Klasse von Paolo Giacometti. Die junge Solistin hat an zahlreichen Meisterkursen teilgenommen und sich profilbildend spezialisiert auf die Epochen Klassik, Romantik und Impressionismus mit Werken von zum Beispiel Haydn, Mozart, Beethoven, Schumann und Debussy.

Musikalische Umrahmung:

Lea Maria Haas (Cello) und Anne Sofie Sloth Nilausen (Klavier) spielten Werke von Robert Schumann, Claude Debussy, Ernest Bloch, Gabriel Fauré, Frederic Chopin und Max Reger.

Können Sie sich an Ihre erste Begegnung mit der Musik erinnern?

Meine erste Begegnung mit der Musik liegt schon lange zurück: Ich war etwa zwei Jahre alt, als meine Mutter für mich in der abendlichen Dämmerstunde mit ihrer schönen Mezzosopran-Stimme ein Lied sang. Zugleich - oder an einem Abend zuvor oder danach - sang draußen im resonanten Hinterhof eine Amsel ebenfalls ihr Lied. Der besondere Reiz der damaligen Situation lag für mich nicht nur in dem betörenden, gleichzeitigen oder abwechselnden Klang der beiden Musiker, sondern in diesem eigenartigen Schweben zwischen Wachsein und traumartigem Schlafen. Alle drei - die schöne Musik, der passagere Charakter der allabendlichen Dämmerstunde sowie das Changieren zwischen zwei Bewusstseins-Zuständen - faszinieren mich noch heute sehr nachhaltig!

Wenn ich fragen darf, wo sind Sie aufgewachsen?

Ich wurde im März 1944 in Diez geboren, einer kleinen Stadt an der Lahn in Rheinland-Pfalz, zwischen Westerwald und Taunus. Dieses Städtchen habe ich noch in sehr guter Erinnerung: Ich bin ohne Vater aufgewachsen - er verstarb an Kriegsfolgen ganz plötzlich im Juli 1945 nur wenige Tage nach seinem 34. Geburtstag. Als Kind habe ich diese besondere Situation zunächst überhaupt nicht wahrgenommen, da ich bis zu meinem achten Lebensjahr hier in einer demografisch völlig ausgeglichenen Welt lebte. Dort waren alle gesellschaftlichen Kräfte wie Handwerker, Kaufleute, Beamte, Akademiker, Künstler und sogar Landwirte an einem Ort vereint und vertreten.

Hat sich diese äußere und wohl auch innere Ausgeglichenheit Ihrer Lebensumstände dann fortgesetzt?

Leider nicht. Aus familiären Gründen zog meine Mutter mit mir 1952 nach Bensheim an der Bergstraße, wo meine Lebenswelt zunächst einen Riss bekam, da ich dort die Ausgeglichenheit meiner Geburtsstadt zunächst doch sehr schmerzlich vermisste. Zum Glück konnte ich im Rahmen der seit 1954 erfolgenden Erziehung an der Martin-Luther-Schule Rimbach, einem kirchlich-staatlichen Gymnasium mit (damals) 2 Internaten, im Laufe der Jahre immer mehr zu mir selbst finden.

Hat sich Ihre Mutter auch um Ihre musikalische Ausbildung gekümmert?

Meine Mutter, die es immer sehr gut mit mir meinte, ließ mir Klavierunterricht erteilen, als ich etwa neun Jahre alt war. Es war allerdings ein glückloses Unternehmen, da dieser von ihr verordnete, wenn auch verständliche Versuch an meiner damaligen Unlust am Üben scheiterte.

Haben Sie in Ihrer späteren Jugend eine Phase erlebt, in der Sie die Musik gerne oder lieber ausgeübt haben?

Nach einer Zeit heftiger, fast fanatischer Besessenheit beim Tanzen und Hören amerikanischer Schlager - insbesondere von Elvis Presley, Paul Anka, Ricky Nelson usw. - erfolgte ein radikaler Wechsel direkt in die klassische Musik, als ich etwa 15 war. Freiwillig nahm ich ab sofort Klavierstunden bei einem Klavierlehrer, der eigens aus Heidelberg nach Rimbach kam. Fleißig übte ich nun jeden Tag mindestens zwei Stunden und verbrachte die Wochenenden in dem wunderbaren Musiksaal unserer Schule, um dort täglich bis zu 5 oder 6 Stunden ungestört Klavier zu spielen.

Nach drei Jahren beherrschte ich einzelne Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier von Johann Sebastian Bach und Klaviersonaten von Josef Haydn. Außerdem besuchte ich Konzerte klassischer Musik im nicht allzu weit entfernten Heidelberg, wo sich mir die damaligen Größen wie Wilhelm Kempf, Wolfgang Schneiderhan, Shura Cherkassky, Pierre Fournier, Henryk Szeryng oder Monique Haas zeigten. Zusätzlich zum Klavierunterricht nahm ich etwa ein Jahr lang noch Violinunterricht hinzu. Meine Faszination für die Musik steigerte sich dann dermaßen, dass ich schließlich den intensiven Wunsch verspürte, Musik auch zu studieren.

Die Cellistin Lea Maria Haas hat sich auf die Epochen Klassik bis Neue Musik spezialisiert. Sowohl im Ensemble-Spiel mit Orchester- und Kammermusik als auch im Vortrag als Cello-Solistin sammelte sie für sich wichtige Erfahrungen.Fotos: Dr. Barbara Steingießer

Aus dem Wunsch, Musik zu studieren, wurde dann aber nichts?

Nein, leider - oder zum Glück - nicht. Aus dem Lateinunterricht ist uns der Spruch überliefert: „Wir lernen nicht für die Schule, sondern für das Leben!“.

Diesen Grundsatz hatte ich mir in extremer, einseitiger Weise dermaßen zu eigen gemacht, so dass ich glaubte, nur noch Klavier und Geige spielend meinen Weg machen zu können. Mit diesem Kalkül hatte ich mich jedoch gründlich verrechnet: In meinen Schulleistungen, die außer Musik, Kunst und Sport nie sehr exorbitant waren, sackte ich dermaßen ab, dass ich den hehren Hort jener staatlich-kirchlichen Gymnasialausbildung verlassen musste. 1965 habe ich dann schließlich an einer privaten Frankfurter Abendschule vor einer fremden Prüfungskommission mein Abitur abgelegt und als Zweitbester bestanden.

Wie ist es mit Ihrer Affinität zur Musik weitergegangen?

Den Wunsch, Musik zu studieren, habe ich dann doch schmerzlich berührt aufgegeben, zumal ich mir nicht sicher war, ob ich überhaupt den Kriterien einer Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule genügen würde. Also beschloss ich, mir die Musik lieber als eine private Beschäftigung - und damit vor öffentlichen Ansprüchen geschützt - zu belassen.

Hat sich nach der Dissertation Ihr Berufsleben verändert?

Mein Germanistik- und Anglistik-Studium schloss ich 1972 - seit 1969 lebte ich bereits in Düsseldorf - mit dem Magister an der Universität Bochum ab, zumal mir eine Stelle als Wissenschaftlicher Assistent an der Pädagogischen Hochschule Münster angeboten wurde. Parallel dazu und parallel zu meinem Dasein als Hilfskellner im Bohème-Lokal „Sassafras“ in Oberkassel habe ich dann mein zweites Studium - ein sogenanntes Promotionsstudium - 1975 absolviert und mit einer Dissertation bei Dieter Wunderlich über das Thema abgeschlossen: „Vorwerfen und Rechtfertigen als verbale Teilstrategien der innerfamilialen Interaktion“. Nach der Promotion habe ich dann noch bis 1983 einige Jahre weiter in der Lehrerausbildung (PH Münster / PH Neuss / Uni Münster) gearbeitet.

Wie haben Sie die Öffentlichkeitsarbeit (PR) zu Ihrem Beruf gemacht?

Angesichts der Veränderungen in der damaligen Lehrerausbildung und auch angesichts meiner skeptischen Haltung gegenüber dem Wissenschaftsbetrieb an den Universitäten (nicht jedoch gegenüber der Wissenschaft) hatte ich mich zunehmend nach beruflichen Alternativen umgeschaut, um mich schließlich der Wirtschaftskommunikation zuzuwenden. Hier, in Schnittstellen-Nachbarschaft zur Werbung, fand ich die Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) als das für mich ideale Betätigungsfeld für meine sprachlich-textlichen Kompetenzen und Interessen.

War das eine konkrete Umsetzung Ihrer Studien?

Noch während meiner Assistentenzeit in Münster hatte ich Kontakte zu Düsseldorfer Werbeagenturen, die nach Autoren mit der Kompetenz „Long Copy“ suchten. Gemeint sind damit längere Texte, die gut recherchiert ein Thema behandeln. Ziel dieser lesefreundlich geschriebenen Informationsangebote ist es, mit Charme, optimaler Gestaltung, ein wenig Rhetorik, Sachwissen und Überzeugungskraft die Sympathie der Leser zu gewinnen.

Während meiner Universitätsstudien hatte ich mich zwar an der Entwicklung theoretischer Textmodelle beteiligt, die praktische Anwendbarkeit und Umsetzung meiner Kenntnisse dafür fand ich jedoch eher in der Didaktik (Vermittlung).

In diese Zeit meiner beruflichen Neuorientierung fällt auch mein Interesse für Interviews. Dienten sie mir zunächst zur reinen Informationsgewinnung im Rahmen meiner Recherchen, so entdeckte ich in ihnen - wie im platonischen Dialog - immer mehr ein willkommenes Instrument zur fundamentalen Bewusstseinsbildung der Gesprächspartner. Andererseits beflügelte mich meine neue Tätigkeit als freier Autor, mich auch journalistisch zu betätigen und mich der Welt des kulturkritischen Essays zuzuwenden. Hier entstanden Arbeiten wie 1986 der Essay zum Thema „Kaugummi“ für das einst legendäre FAZ-Magazin, ferner Analysen sehr profaner Phänomene aus dem Alltag - also Themen, die mit den Mitteln des Essays, optimal recherchiert, einer grundsätzlichen und eher philosophischen Betrachtung zugeführt werden. Im Unterschied zu wissenschaftlichen Analysen sind diese Publikationen bemüht, nicht nur gut lesbar zu sein, sondern mit Eleganz und Frohsinn die Erkenntnisbereitschaft eines Publikums zu befördern.

Haben Sie sich in Ihren Texten auch mit Musik beschäftigt?

Damals noch nicht. Es war jene Zwischenzeit mit häufigen Konzertbesuchen, gerade auch hier in der Tonhalle, nachdem diese 1978 umgebaut war und nun dem Konzertbetrieb zur Verfügung stand. In diese Zeit ohne praktische Musikausübung fällt meine erste Begegnung mit einem Cello vor etwa 40 Jahren. Dies löste in mir den intensiven Wusch aus, eines Tages Cello-Unterricht zu nehmen, was ich nun seit einem halben Jahr sehr genieße.

Was macht ein Kultur-Semiotiker?

Den Begriff „Kultur“ fasse ich sehr weit und rechne dazu nicht nur die Alltagskultur, sondern auch die Bereiche Bildende Kunst, Architektur, Mode, Film, Literatur und Musik. „Semiotik“ ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Anwendung und Interpretation von Zeichen-Bedeutungen, wonach jede sinnliche Manifestation und jede Materialität zum Zeichen werden kann. Ein Kultursemiotiker ist eigentlich immer im Dienst, weil ihm ständig irgendwelche Erscheinungen, gerade auch im Alltag, als „bedeutungsvoll“ auffallen. Es geht also darum, die (symbolische) Botschaft gesellschaftlicher Phänomene zu entschlüsseln, die so, aber auch anders gestaltet werden könnten.

Vielleicht ein Beispiel: Als hier in der Reihe „Musik im Gespräch“ Peter Haseley, Direktor der Clara-Schumann-Musikschule, am 31. Mai von mir interviewt wurde, hatte er drei Musiker mitgebracht, worunter mir Lotte Kläsgen nicht nur wegen ihres jungen Alters von 11 Jahren und wegen ihres berückenden Cello-Spiels auffiel. Als Kultursemiotiker bemerkte ich sofort, dass Lotte zur stabilisierenden Verankerung ihres Instrumentes mit Hilfe des sogenannten „Stachels“ am/im Fußboden nicht das handelsübliche „Cello-Brettchen“ mit sich führte, sondern hier auf der Bühne einen kleinen Teppich entrollte. Darauf stellte sie ihren Stuhl, ließ sich darauf nieder, brachte den Stachel ihres Instrumentes in eine verankernde Position am Boden (Teppich!), legte noch zur spielerischen Erleichterung ihre Armbanduhr darauf ab, sammelte sich für den Abend - und begann, am Flügel begleitet von Peter Haseley, mit dem Einspielen, während das Publikum sich ganz langsam einfand.

Nicht nur als Kultursemiotiker bin ich stolz und dankbar, diese Szene jemals erlebt zu haben! Der Teppich für Lotte als eine, die (vielleicht bedrohliche) Außenwelt abgrenzende Insel. Der Teppich als ihr semantischer Schutz gegenüber fremden Ansprüchen, auf die sie sich während des Konzertes nicht einlassen kann und will. Bei „Teppich“ denke ich natürlich sofort an die Redewendung „Bleib auf dem Teppich!“ als entschiedene, warnrufartige Intervention, wenn jemand die Orientierung, getroffene Vereinbarungen oder gesellschaftliche Grundsätze zu verlieren droht. Der Teppich aber auch verstanden als „fliegender Teppich“ wie in den orientalischen Märchen als mythisches Fortbewegungsmittel, speziell in den Märchen aus „Tausendundeiner Nacht“ wie in „Aladin und die Wunderlampe“. Bei Lotte mit Cello auf dem Teppich kommt mir ein weiteres Bild vor die inneren Augen: Lotte sitzt mit ihrem Cello in einem Boot, lässt dabei ihre wunderbare Musik erklingen, während das Boot (nach dem Muster von Lohengrin) zusammen mit Lotte von einem Schwan über ein stilles Wasser gezogen wird!

Nach Ihrer Professur in Augsburg sind Sie wieder nach Düsseldorf zurück gekommen?

Aus persönlichen Gründen habe ich diese Professur für Design- und Kommunikationstheorie an der Fachhochschule Augsburg, die ich 1994 angetreten hatte, 2001 beendet. Nachdem ich die Augsburger Hochschule verlassen hatte, verbrachte ich meine Zeit noch bis 2011 im Allgäu, nahm Gesangunterricht bei einem Opernsänger, spezialisierte mich auf italienische Solo-Arien (Arie Antiche) aus der Barockzeit und fing an, auch Konzerte (Hauskonzerte und Gesprächskonzerte) zu geben. Im April 2011 kam ich endlich wieder in mein geliebtes Düsseldorf zurück, nahm Gesangunterricht bei einem im Ensemble der Deutschen Oper am Rhein fest engagierten Opernsänger und setzte meine gesanglichen Studien fort, ohne jedoch an öffentliche Auftritte zu denken.

Kannten Sie den Konzertkalender schon früher?

Da ich beruflich noch nicht ausgelastet war, suchte und fand ich im April 2013 eine kleine Zeitungsnotiz von Düssel-Druck & Verlag GmbH (Düsseldorf) in der Rheinischen Post, mit der in freier Mitarbeit ein Texter gesucht wurde, um für den Konzertkalender dauerhaft ein Vorwort zu schreiben. Ich bewarb mich, stellte mich dem Chef des Hauses, Rainer Meyer, vor und erhielt den Job innerhalb weniger Tage. Ich war nun als Redakteur engagiert!

Als einfaches, dreifach gefaltetes Din A4-Blatt war mir das Medium schon vor 30 Jahren als Auslage in öffentlichen Einrichtungen aufgefallen. Dieses in Düsseldorf nach wie vor einzigartige Medium mit dem ursprünglichen Titel „Konzerte in Düsseldorf“ (jetzt: „Konzerte in+um Düsseldorf“), mit markantem, als Winkelzug gesetzten Titel „Konzerte“ hatte Düssel-Druck im Frühjahr 2013 von dem früheren Herausgeber Kulturprisma Verlag Ophorst GmbH übernommen. Der neue Herausgeber hatte innerhalb weniger Wochen das einfache Faltblatt in ein ansehnliches Heft im Din lang-Format und Vierfarbdruck umgewandelt. Durch den größeren Umfang konnten nun sehr viele/die meisten Klassik-Konzerte (mit Grenzgängen zu Jazz und Soul) zusammengefasst werden.

Wie begann Ihre Redaktionsarbeit für den Konzertkalender?

Ich habe mich sehr über den Auftrag gefreut, da ich hier zum ersten Mal mit zwei Themen zugleich zu tun hatte, die mich brennend interessierten: Musik und journalistisches Arbeiten im essayistischen Stil. Mein Vorschlag, für das Medium, das zunächst noch monatlich erschien, in jeder Ausgabe ein einführendes Editorial zu schreiben, gefiel meinem Auftraggeber und auch mir!

Haben Sie Ihre Ideen einbringen können?

Die Zusammenarbeit mit Düssel-Druck gestaltete sich durchweg sehr positiv, da man auf meine Vorschläge zur Optimierung meist auch positiv reagierte und mich bei meiner Redaktionsarbeit unterstützte. Um Kosten zu reduzieren, kam man schon im Sommer 2013 überein, den Konzertkalender als zweimonatige Programmvorschau fortzusetzen.

Da ich aufgrund meiner Redaktionsarbeit nach und nach immer mehr Musiker, Konzertveranstalter und musikaffine Persönlichkeiten kennen lernte, ergab sich die Idee, ab der Ausgabe 7/8-2013 in der Mitte des Heftes - gewissermaßen zwischen den beiden Programm-Monaten - jeweils ein mehrseitiges Interview zu veröffentlichen. Das erste Gespräch dieser Art galt Oskar Gottlieb Blarr, dem bekannten Düsseldorfer Komponisten und Organisten.

Die Pianistin Anne Sofie Sloth Nilausen hat sich bisher auf die Epochen Klassik, Romantik und Impressionismus konzentriert – mit Werken von z. B. Haydn, Mozart, Beethoven, Schumann und Debussy.Fotos: Dr. Barbara Steingießer

Wann und warum haben Sie den Konzertkalender als Ihr eigenes Projekt übernommen?

Aufgrund eines Generationswechsels in der Geschäftsführung stellte sich Düssel-Druck zu Beginn des Jahres 2015 neu auf. Der ältere Sohn des Hauses, der jedoch nur wenig Interesse an dem Projekt Konzertkalender zeigte, übernahm die Unternehmensleitung, weshalb das Erscheinen des Konzertkalenders eingestellt werden sollte. Ich beschloss, auf jeden Fall, auch ohne unternehmerische Kenntnisse und ohne die erforderliche finanzielle Ausstattung, das Medium in eigener Regie nicht nur als Redakteur, sondern auch als Herausgeber weiterzuführen. Dies gelang mir bereits mit der Ausgabe 03/04-März/April 2015. Die Einnahmen- und Kostenseite, für die ich nun auch verantwortlich war, bereitete mir natürlich zunächst viel Kopfzerbrechen, da sich erst im Laufe des Jahres 2015 eine 100-prozentige Kostendeckung einstellen wollte.

Einige wenige Versuche, die Finanzierung des Konzertkalenders mit Hilfe von Sponsoren (etwa durch Druckkostenzuschüsse) auf eine solide Grundlage zu stellen sind bisher gescheitert. Auf der Einnahmen-Seite sind die Einnahmen aus Werbe- oder PR-Anzeigen von Düsseldorfer Unternehmen (und einiger weniger Konzertveranstalter) einigermaßen stabil - einer Klientel, die gewissermaßen die Wirtschaftskraft der Landeshauptstadt repräsentiert. Dennoch bin ich hier auf der Suche nach weiteren geeigneten Anzeigenkunden.

Wie stellt sich die Einnahmen-Situation über Zeilenanzeigen dar?

Was mir jedoch noch einige Sorgen bereitet, sind die Einnahmen aus den Zeilen-Anzeigen (gemeint sind Termine und Kurzdaten der Konzerte). So erklären einige Konzertveranstalter schlichtweg, für diese Einnahmenquelle keinen Etat zur Verfügung zu haben. Ich finde es bedauerlich, dass exakt an dem Punkt, an dem Musiker und Konzertveranstalter einen eindeutigen Nutzen aus der Bekanntmachung ihrer Konzertveranstaltungen ziehen könnten, doch noch nicht alle zu einer angemessenen Honorierung bereit sind. Dies ist um so weniger verständlich, da die Düsseldorfer Presse, sich offensichtlich darin gefällt, die brillanten Konzertleistungen (darunter auch immer wieder Uraufführungen) etlicher hunderter professionell arbeitender Musiker - Sänger wie Instrumentalisten, Chorleiter wie Dirigenten - praktisch tot zu schweigen, während die vermeintlichen internationalen Stars, die kurz in die Stadt kommen, um sie ebenso schnell wieder zu verlassen, doch meist zumindest kritisch gewürdigt und damit wenigstens in ihrer Existenz bestätigt werden.

Lea Maria Haas (Cello) und Anne Sofie Sloth Nilausen (Klavier) spielten bei „Musik im Gespräch!“ am 26. Juli 2016 Werke von Robert Schumann, Claude Debussy, Ernest Bloch, Gabriel Fauré, Frederic Chopin und Max Reger.Fotos: Dr. Barbara Steingießer

Ist die Interviewreihe „Musik im Gespräch!“ in Ihren Augen erfolgreich?

Die in freundschaftlicher Kooperation mit der Düsseldorfer Musikbibliothek und ihrem Leiter, Thomas Kalk, konzipierte und geführte Interviewreihe „Musik im Gespräch!“ erfreut sich seit ihrer ersten Veranstaltung am 31.03.2015 eines regelmäßigen Zuspruchs. Selbst auch bei ungünstigen Wetterlagen oder angesichts weltbeeindruckender Fußballspiele können wir nicht nur mit einem treuen und kritischen Publikum rechnen, sondern auch immer wieder neue Gäste begrüßen. Der Erfolg dieser Abende besteht auch darin, dass die Interviews nicht nur im jeweils folgenden Konzertkalender abgedruckt (und im Archiv auf der Homepage www.konzerte-in-duesseldorf.de archiviert) werden, sondern dass sie in gleicher Weise der Düsseldorfer Musikbibliothek als Beitrag zur eigenen und wichtigen Öffentlichkeitsarbeit dienen.

Sehen sie den Konzertkalender in sicherem Fahrwasser? Wie sehen Sie die Zukunft?

Auch wenn die Kostensituation, wie geschildert, zur Zeit noch unbefriedigend ist, und bisher noch keine stabilisierenden Rücklagen erwirtschaftet werden konnten, bin ich - angesichts der bisherigen Erfolge - doch fest davon überzeugt, dass die Zukunft uns in das gewünschte, sichere Fahrwasser führen wird. So möchte ich die Zukunft des „Konzertkalenders in+um Düsseldorf“ jedenfalls weiter in der überaus kooperativen Zusammenarbeit mit der Düsseldorfer Musikbibliothek und ihrem Leiter, Thomas Kalk, sehen. Die Atmosphäre der Abende mit dem konstruktiven Gesprächs-Austausch der Gäste, mit dem freundlichen, aufmerksamen Publikum sowie mit den musikalischen Unterbrechungen (meist) durch Live-Musik sind der beste Beweis für den mutigen Gang nach vorne. Mit Expansionen qualitativer Art darf gerechnet werden, wenn etwa schon bald auch Konzerte mit japanischen Musikern aus unserer Stadt im Konzertkalender angekündigt werden können. Zur Qualitätsoffensive gehören ebenso Überlegungen, das Medium Konzertkalender (vielleicht Ende 2016?) nicht unbedingt von der Existenz als „Papierfackel“ zu befreien, sondern durch die digitale Option einer bequemen und allgegenwärtigen Smartphone-Nutzung zu komplettieren. Ich möchte an dieser Stelle ein kleines Geheimnis preisgeben: Seitdem ich nach und nach zunächst mit Redaktion und dann mit der Herausgeberschaft des „Konzertkalenders in+um Düsseldorf“ betraut wurde, verstärkt sich - trotz einiger erwähnter Probleme - bei mir immer mehr der Eindruck, mein gesamtes musikaffines Vor-Leben könnte sich, ohne dass ich es wissen konnte, auf diesen „Konzertkalender“ zubewegt haben. So wäre es für mich durchaus sinn- und lebenserfüllend zugleich, wenn ich vielleicht zu meinem 100. Geburtstag im März 2044 die letzte Ausgabe dieses nützlichen Mediums veröffentlichen könnte, gemäß dem Kantatentitel (BWV 84) von Johann Sebastian Bach: „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke!“

Urlaubsvertretung als Rollentausch: Am 26.07. übernahm Thomas Kalk (rechts im Bild), Leiter der Musikbibliothek, ausnahmsweise die Rolle des gesprächs­führenden Interviewers und begrüßte Hartwig Frankenberg als Interview-Gast!Fotos: Dr. Barbara Steingießer

Das Gespräch führte Thomas Kalk, Leiter Musikbibliothek Düsseldorf.