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Editorial

Fraglicher Beweis medialen Ur-Vertrauens: Existiert nur derjenige, der kommuniziert?

Fraglicher Beweis medialen Ur-Vertrauens: Existiert nur derjenige, der kommuniziert?

Prof. Dr. Hartwig Frankenberg
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg

Klingt das nicht ein wenig billig? Wer den Marktplatz der Eitelkeiten betritt, wird von aller Welt wahrgenommen, kann mitreden, besitzt gesellschaftliche Resonanz und existiert. Wer dagegen im stillen Kämmerlein seines Elfenbeinturms zurück bleibt wie ein Einsiedler, hat von der Welt nicht viel zu erwarten. Er dämmert, philosophiert, gärtnert und spitzwegelt vor sich hin – hoffentlich im Einklang mit sich selbst!

Als Privatier ist man der Öffentlichkeit beraubt und fühlt sich schnell von ihr abgeschrieben, in die Vergessenheit abgeschoben. Eigene Existenz offenbart sich zumindest im Spiegel an der Wand, im Inhalt von Briefkasten oder Mail-Box, im Album allmählich vergilbender Fotos und in den Bildern von Bewusstsein, Traum und Erinnerung. Aber auch in Werkskizzen des Neuen und bislang Unausgesprochenen schlummert viel Existenz, die ans Tageslicht drängt! Es sind die vielen Ideen, die der Ausarbeitung harren und auf Gedankenaustausch mit kritikfähigen Gleichgesinnten warten.

So lässt sich jede stille Mondlicht-Kammer in ein kommunikatives Kraftzentrum, jedes Home-Office in einen geselligen Musenhof verwandeln und als globale Community auch im digitalen Zeitalter feiern. Leisten wir es uns vielleicht, auf die mediale Geburtshilfe schwerfälliger, zentralisierender Medienkonzerne ein wenig zu pfeifen, die sich zunehmend in ihrer demonstrativen Geste gefallen, wahre Talente zu verkennen, um sie tot zu schweigen.  Dezentral angelegt waren einst die Salons bürgerlicher Kultur mit ihren philosophischen, literarischen und musikalischen Zirkeln, mit ihrem lebendigen Austausch unausgegorener Ideen und prototypischer, früher Werke. Hier wurde das Neue in einer Art gesellschaftlichem Labor auf seine Welttauglichkeit hin überprüft und begrüßt – als privater gesellschaftlicher Treffpunkt für Diskussionen, Lesungen oder Konzerte. Angesichts zivilisatorischer Verrohungen verstanden sie sich als entschiedene Gegenbewegungen.

Der weltoffene – lokale wie internationale – Austausch im persönlichen, halb-privaten und halb-öffentlichen Raum scheint in Zeiten des Internets und der Globalisierung seine besondere Anziehungskraft zu haben. Nutzen wir ihn – gerade auch in dieser Stadt! Kein Geringerer als Johann Sebastian Bach verstand es immer wieder, seine eigenen Ideen, Ansprüche und Werke gegen die vermeintliche Übermacht zerstörerischer und die Kreativität behindernder Kräfte auszubalancieren, was er nicht nur mit Titel und Inhalt seiner Kantate (BWV 84) zum Ausdruck brachte: „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke!" Auch die Abbildung auf dem Außentitel seines selbst entworfenen Siegels mit spiegelbildlichem Ineinander kunstvoll verwobener, bekrönter Anfangsbuchstaben „J S B" verrät uns seinen Stolz.

Herzliche Grüße –
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg

Editorial

Titelgrafik: Michel Schier, Düsseldorf