Editorial
Der Redakteur als Pflegekraft?
Der Redakteur als Pflegekraft?
In der Düsseldorfer Druckerei, welche unseren Konzertkalender seit mehr als drei Jahren pflichtgetreu und regelmäßig aufs Papier bringt, arbeitet ein freundlicher älterer Herr, Rheinländer aus Neuss und aus Überzeugung, ernsthaft – aber auch gehörig gewitzt, der jeden Tag mit seinem Motorroller über den großen Strom zur Arbeit in die Landeshauptstadt fährt. Bezeichnender Weise hört er auf den Familiennamen „Quirin", der in Neuss einen guten Klang haben muss, da das dortige ehrwürdige Münster aus dem 13. Jahrhundert den Namen des Heiligen Quirinus trägt. Es wurde übrigens 2009 vom deutschen Papst Benedict XVI zur „Basilica minor" erhoben. Herr Quirin hatte vor meiner Herausgeber-Zeit, als ich zunächst nur das Editorial, später dann auch das Interview zu schreiben hatte, die Aufgabe, die reine Terminstrecke für den Konzertkalender zu recherchieren und zusammenzustellen – die reinste Uhrmacherarbeit!
Durch meine Kontakte mit Musikern und Konzertveranstaltern sammelte ich ebenfalls Konzerttermine, es wurden immer mehr, die er dann immer „einpflegte", wie er jedesmal mit leicht runzelnder Stirn und wachen Augen betonte. Da das Wort „einpflegen" mir jedoch, obwohl gut ausgebildeter Germanist, bis dahin völlig unbekannt war, meinte ich auch immer „einflicken" zu hören und zu verstehen. Und im freudigen Stirnrunzeln von Herrn Quirin glaubte ich sogar eine Portion Ironie, gar Schabernack, herauszuhören – zumal er mich immer sehr betont und fröhlich mit „Herr Professor!" begrüßt.
Eines Tages hatte ich dann den nötigen Mut, diesen gestandenen Mann auf das mir unbekannte und ungewohnte Tätigkeitswort „einpflegen" (oder doch „einflicken"?) anzusprechen. „Nein, nein, das heißt wirklich so. Denn wenn man irgendwelche Daten in einen bereits bestehenden Datenbestand einarbeitet, spricht man von einpflegen", sagte er mit betont sachlichem Unterton. Das sagte er aber wieder so, dass es in meinen Ohren eher halb-ironisch klang, und ich ihm doch nicht so recht glauben wollte. Heute erlebte ich endlich die Offenbarung: Die überaus freundliche Sekretärin einer Konzertdirektion, die mir sehr charmant gerade noch im letzten Augenblick die Konzertdaten für den nächsten Konzertkalender mitteilen konnte, schrieb doch tatsächlich in ihrer Begleit-Mail: „Es ist mal wieder sehr knapp und ich hoffe, dass Sie unsere Angaben noch einpflegen können." Jetzt endlich bin ich von der pflegerischen Grundstimmung meiner gesamten musikalischen Umgebung zutiefst überzeugt!
Herzliche Grüße –
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg
P.S. Der Bildvignette liegt ein Foto von Frau Dr. Barbara Steingiesser zugrunde!
Titelgrafik: Michel Schier, Düsseldorf