Konzertkalender in+um Düsseldorf

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(05/06 2015)

Wenn der Funke überspringt …

Wenn der Funke überspringt …

Prof. Dr. Hartwig Frankenberg
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg

Wenn man auf das Glück nicht bewusst wartet, dann ist das vielleicht der schönste Bereitschaftsdienst. Als Titelbild für den „Konzertkalender in+um Düsseldorf“, Ausgabe Mai / Juni 2015, haben wir uns diesmal für den Bildausschnitt einer suchenden und wählenden Hand entschieden. Es ist ein Schnappschuss in der CD-Sammlung der Musikbibliothek Düsseldorf.

Thomas Kalk, Leiter dieser städtischen Einrichtung und Interviewpartner des ersten öffentlichen Interviews am 31. März (hier lesen), hatte diese Bildidee vorgeschlagen. Meine Bitte um ein symbolisches Motiv, das zu Aufgabe und Geist der Musikbibliothek – im weitesten Sinne – passen könnte, erfüllte sich zu meiner (auch Ihrer?) vollsten Zufriedenheit. Der wörtliche Bildsinn des Fotos ist wahrlich extrem trivial und alltäglich: Jemand fahndet in einem Geschäft oder wie hier in einer Bibliothek nach einem bestimmten Tonträger, oder „blättert“ die wie Karteikarten aufgestellten CD-Cover einfach nur gedankenversunken durch.

Das eigentliche Motiv dieser agierenden Hand kennen wir nicht. Aber die Symbolik des bilderzeugenden Ausschnitts trifft und betrifft einen bestimmten Augenblick unserer Existenz: Es ist der zündende Moment, in dem jetzt der Funke als Lebensgeist überspringen kann, wie in der bekannten „Erschaffung Adams“ von Michelangelo mit den beiden sich nähernden Zeigefingern. Dasselbe gilt für die spontane Begegnung eines Paares, das sich bald nach dem augenblicklichen Funkenflug in die große Liebe stürzt.

Dies trifft ebenso für den Moment zu, wenn wir versonnen oder ungeduldig auf der Suche nach einem Buch, einem Gedanken – oder wie hier nach einer CD sind, und das Fundstück uns plötzlich in einen Freudentaumel versetzt. Ähnliches kennen wir aus dem hingebungsvollen Umgang mit dementen Menschen, wenn sie uns beim Hören einer längst verklungenen Melodie mit einem wiedererkennenden Jubelruf überraschen. Im nächsten öffentlichen Interview in der Musikbibliothek am 26. Mai wird uns die Musikdramaturgin und Musikwissenschaftlerin Elisabeth von Leliwa auch über spontane Erweckungserlebnisse aus verschiedenen Projekten zum Thema „Musik und Demenz“ berichten können. Es sind immer diese äußerst seltenen Bruchteile von Sekunden, die unserem Leben eine andere oder neue Richtung geben können.

Der „Konzertkalender in+um Düsseldorf“ für Mai und Juni mit seinen rund 100 Musik-Terminen könnte so vielleicht auch für Sie zur beglückenden „Funkenfalle“ werden.

Herzliche Grüße –
Prof. Dr. Hartwig Frankenberg


Editorial

Titelgrafik: Michel Schier, Düsseldorf